Freundinnen fürs Leben, Einsamkeit und Freundschaft 2.0
friendsUp Gründer Philipp Hildebrand im Interview mit Journalisten und „Freundinnen“-Autorin Susann Sitzler.
friendsUp: Liebe Susann, Jobwechsel, Umzüge und neue Liebesbeziehungen zehren an Freundschaften und lassen sie manchmal ausbrennen. Macht unser moderner Lebenswandel uns einsam?
Susann Sitzler: Nicht prinzipiell. Er kann allerdings einsam machen, wenn wir uns durch äußere Veränderungen und Beschleunigungen innerlich von der Beziehung zu uns selbst abbringen lassen. Dann sind wir auch nicht mehr ohne weiteres in der Lage, tragende Beziehungen zu anderen einzugehen. Und das macht definitiv einsam.
friendsUp: Die Britische Regierung etabliert ein Einsamkeits-Ministerium. Ist Einsamkeit jetzt ein neues Phänomen?
Susann Sitzler: Einsamkeit gab es als Phänomen schon immer. Neu ist, dass ihr, wenn sie vorhanden ist, ein scheinbar unendliches Maß an Kontaktoptionen gegenübersteht – etwa durch die Sozialen Medien und unzählige Kontaktforen im Internet. Doch eine Option auf eine Freundschaft ist noch keine Freundschaft selbst. Es ist nur eine Möglichkeit, den ersten Schritt zu machen und vielleicht eine größere Auswahl an potentiellen Bekannten und Freunden zu finden. Das ist eine neue Chance – aber auch ein neues Risiko. Etwa, wenn man denkt, wenn es mit einer Person nicht klappt, suche ich mir aus dem virtuellen „Katalog“ halt eine neue aus. So funktioniert es nicht. Die Auswahl beeinflusst nicht das Wachstum einer realen Verbindung zu einer anderen Person. Und ohne reale Verbindungen wird man auf Dauer ziemlich schnell einsam.
friendsUp: Über die Freundinnen-Community „friendsUp“ soll es Frauen sehr viel leichter fallen neue Freundinnen kennenzulernen und Begleiterinnen für Yoga, Kino, Kunst und Reisen zu finden. Wie gehe ich im Online-Chat am besten vor, damit ich auf eine passende Freundin stoße und wie vermeide ich einen Endlos-Chat ohne Freundschaftsdate?
Susann Sitzler: Man hört, dass diese Frage von einem Mann gestellt wird (lacht). Für die meisten Frauen ist es kein Problem, wenn man sich bei einem virtuellen Kontakt zuerst ausgiebig online beschnuppert. Wenn der Moment kommt, wo man denkt, diese Person würde ich gerne kennenlernen, folgt der Vorschlag zu einem Treffen im real life meist ganz von alleine und völlig entspannt – und zwar genau dann, wenn der Moment für beide passt. Beim Mann-Frau-Dating entstehen da manchmal Missverständnisse. Ich glaube aber nicht, dass das bei einer Community, wo Frauen platonische Freundinnen finden, ein Problem ist.
friendsUp: Welche persönlichen Angaben sollten in einem aufschlussreichen friendsUp-Profil nicht fehlen?
Susann Sitzler: Ich finde es bei online-Profilen grundsätzlich wichtig, dass man seine eigenen Formulierungen wählt und wirklich versucht zu sagen, was man meint. Und auch möglichst spezifisch ist. Also nicht einfach sagt „Mein Hobby ist Yoga“ oder „Lieblingsmusik: bunt gemischt“. Sondern „Das Schönste für mich am Yoga sind die Stunden danach, wenn ich im Kopf total ruhig bin“. Oder „In diesem Jahr freue ich mich am meisten auf das Album von Künstler x oder auf den Auftritt von Band yz, die habe ich schon 5 mal live gesehen.“
friendsUp: Susann, Du hast uns im persönlichen Video-Interview bereits über Deine Freundschaften erzählt. Schaffst Du es eigentlich alle Deine Freundschaften regelmäßig zu pflegen und wenn ja, wie machst Du das in stressigen Zeiten?
Susann Sitzler: Viele Jahre lang habe ich in stressigen Zeiten Freundschaften tatsächlich vernachlässigt. Das tue ich heute nicht mehr. Notfalls mache ich mir einen Zettel, damit ich dran denke, einer etwas entfernteren Freundin oder guten Bekannten, die ich länger nicht gesehen habe, ein Treffen vorzuschlagen. Bei engen Freundinnen schicke ich zwischendurch einfach kurze Nachrichten um zu fragen, wie z.B. ein bestimmter Termin gelaufen ist, vor dem meine beste Freundin nervös war oder kurz nachfrage, ob alles okay ist. Das machen meine Freundinnen auch so, auf diese Weise bleibt man im Bild, was bei der anderen läuft, auch wenn die Zeit für ein Treffen oder sogar für ein Telefonat für ein paar Tage oder Wochen einfach nicht reicht. Wenn es mit realen Treffen über Wochen nicht hinhaut, dann verabrede ich mich manchmal auch konkret zu einem längeren Telefonat. Das ist immer besser als nichts. Auch bei Freundschaft gilt: Wichtig ist nicht, dass alles perfekt ist. Wichtig ist, dass es stattfindet.
friendsUp: Stichwort: Beste Freundin – was zeichnet sie (für Dich) aus?
Susann Sitzler: Ich mag das Wort „beste“ in diesem Zusammenhang nicht so sehr, sage liebe „engste“ Freundin. Das sind für mich Freundinnen, wo ich mich traue, auch mal eine Nervensäge zu sein, wenn ich ewig über ein bestimmtes Thema immer wieder reden muss oder die ich anrufe, wenn ich mich selbst nicht leiden kann. Wenn ich sozusagen bereit bin, mich nicht nur in meiner Stärke sondern auch in meiner Schwäche zu zeigen. Und auch dann, wenn ich mich selbst gerade nicht gut leiden kann. Umgekehrt gilt das gleiche natürlich auch. In solchen Momenten besteht Freundschaft dann auch darin, die andere zu überzeugen, dass sie immer noch super ist, sogar an einem schlechten Tag.
friendsUp: In deinem Buch „Freundinnen“, skizzierst Du unter anderem Möglichkeiten sich von einer Freundschaft zu distanzieren. Was erfährt die Leserin noch in deinem Buch?
Susann Sitzler: Das Buch erzählt davon, woraus Freundschaften zwischen Frauen genau bestehen, wie sie sich im Lauf des Lebens entwickeln und auch, wie sie gelingen. Und halt auch, was man im Fall eines Scheiterns aus ihnen lernen kann. Freundschaft zwischen Frauen ist ein Phänomen mit sehr vielen Facetten. Davon handelt das Buch. Es will dazu anregen, über seine eigene Freundinnen-Geschichte nachzudenken – und auch dazu, sich selbst und anderen eine gute Freundin zu sein.
Das Interview führte Philipp - Gründer von friendsUp.
Das Buch "Freundinnen" von Susann Sitzler, erschienen im Jahr 2017 beim Klett-Cotta Verlag.